Motorrad Classic 1/00 - Januar/Februar 2000 - Kaliber 45
Titelbild: Kaliber 45, die 750er von Harley Davidson
PLUS: Großer Kenner Wettbewerb: Gewinnen Sie eine Kawasaki Drifter - Leichter Eintopf: Ducati 125 - Scharfer Eintopf: Egli-Enfield 624
Original Inhaltsbeschreibung:
- Harley-Davidson WL
- Großer Kennerwettbewerb
- Ducati 125
- Panther KS 175 S
- Egli-Enfield 624
- Sgonina Special
- Selbst restaurieren, Teil 57
- Der Motorreiter
- Restaurierung einer BMW R 15/2
- Zur Jahrtausendwende: Dr. Helmut Krackowizer erinnert sich
- Hans-Joachim Mai blickt zurück
Meinung:
Alter schützt vor Torheit doch: 300 km/h - warum denn nicht? Manchmal kann sogar weniger Tempo viel riskanter sein - oder: warum wir mit alten Motorrädern viel vorsichtiger fahren.
Für die Engländer war es einst die magische 100 Meilen-Grenze, the ton, wie es im Motorradfahrerjargon auf der Insel heißt Die Tiger 100 war vor 60 Jahren jene legendäre Zweizylinder-Triumph, für die der Hersteller 100 mph, also 160 km/h Höchstgeschwindigkeit für Otto Normalmotorradfahrer möglich machte. Dazu genügten damals übrigens noch ein halber Liter Hubraum und nominell 34 PS bei 7000/min
Heute sind (Motorräder fünfmal so stark und doppelt so schnell, und für die englischen Motorradfahrer gilt nun eben die 200 mph-Grenze als das Höchste der Gefühle. Ganz nebenbei bemerkt: Kein Mensch regt sich auf der Insel deshalb auf. Nur hierzulande wird von Neidern, notorischen Nörglern und selbsternannten Sicherheits-Aposteln die Diskussion über den Unsinn von 300 km/h schnellen Motorrädern geschürt - wo doch jeder von uns weiss, dass sich hirnlose Heizer schon mit Tempo 100 den Kopf abfahren.
Es ist längst gut 20 Jahre her als ich zum ersten Mal auf einem Motorrad, tief hinterm Lenker kauernd, gänzlich ohne Protektoren in meinem schwarzen Harro-Zweiteiler und ohne Kevlar-Einsätze an Stiefeln und Handschuhen die Tachometer-Nadel ganz locker über die 200 km/h-Markierung wandern sah. Und mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Begeisterung würde ich heute die 300 km/h in Angriff nehmen, wäre der Reiz hierfür in mir noch derart ausgeprägt vorhanden. Solches Tempo erscheint mir (auf freien Autobahn-Abschnitten) mitunter weniger riskant als die rund 90 Sachen auf Bundes- oder Landstraßen, zu denen sich meine NSU Lux aufschwingt.
Konzentration ist in bei den Fällen gefordert, vielleicht sogar noch mehr in letzterem Fall. Denn meine Lux hat keine grellbunte, ausladende Vollverkleidung mit gleißend hellem Scheinwerfer samt leistungsstarker H4-Glühlampe. Die Lux ist, wie die meisten Veteranenmotorräder, schwarz und ihre schmale Silhouette wird noch leichter übersehen. Und ich weiß, daß der Bremsweg wegen dürftiger Dosendeckel-Bremsen im Notfall schier unendlich lang werden kann, daß die trübe Sechs-Volt Funzel vorne anderen Verkehrsteilnehmern kaum Erleuchtung bringt und ich auf der zierlichen Lux in all der Blechmasse um mich herum fast versinke.
Und dann habe ich auch noch die schier unzähligen Stunden und Mühen in der Werkstatt und all die Kosten noch deutlich im Hinterkopf, bis das gute alte Stück endlich wieder richtig lief. Klar, so etwas schmeiße ich doch sicher nicht kopflos weg.
Seitenanzahl: 98 Seiten
Sprache: Deutsch
Gewicht: 233 Gramm
Eigenschaften von diesem Artikel
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