- Nicht auf Lager
Frankfurter Allgemeine Heft 115 / Mai 1982 - Kurfürst Karl
Titelbild: Ein Herz und mehr an Heidelberg verloren: Kurfürst Karl Friedrich von Baden. Nach dem Zerfall der drittältesten deutschen Universität vor zwei Jahrhunderten machte er sich durch deren Neugründung 1803 zum Schutzengel jener Alma Mater, die nach dem Vorbild der Pariser Sorbonne anno 1386 am Neckar zu wirken begann, als noch alle Brunnen vor dem Tore und im Schatten von Linden lagen. Noch heute mag mancher ein Lied auf die Stadt. die feine, singen
Original Inhaltsbeschreibung:
- Über Leute
- Die Malerin als ihr Modell: Elvira Bach, heftig Fotos Susanne Esche Siegfried Diehl
- Wie man sich alt vorstellt, wenn man alt nicht kennt: Heidelberg Fotos Jürgen Röhrscheid Jürgen Busche
- Kalender der Woche
- Fragebogen: Marie Louise Fischer
- Schach Rostyin Finkenzeller
- Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
- Titel Jürgen Röhrscheid
Ein Pinsel oder Die Not der Kunstkritik
An ihren Pinseln sollt ihr sie erkennen, die Maler und die Malermeister. Die einen tupfen oder ziehen mit dem fei-nen Haar- oder dem Borstenpinsel Farbe von der Palette oder aus dem Tiegelchen auf die Leinwand, die anderen tauchen ihr gröberes Gerät in den Eimer und streichen die Mauer quadratmeterweise ein. Nein, diese Unterscheidung geht nicht mehr, das war einmal. Das war gerade noch zu Dürers Zeiten so, als auch die Künstler noch Handwerker waren und ihr Genie durch Sorgfalt bewiesen, als eine Maria mit dem Kinde viele Monate, ja Jahre in Anspruch nahm. Damals arbeiteten die Handwerkerkünstler noch alle mit den gleichen Pinseln, die Großen wie die Kleinmeister. Sie hatten sie auch meistens selber gemacht: Borstenpinsel vom Schweinerücken für die zähe Ölfarbe, Haarpinsel aus den Schwänzen der Eichhörnchen fürs Lavieren und Aquarellieren und Vergolden. Wie sie das Haar gegen Motten schützten, \ wie sie es bearbeiten und schließlich zum Pinsel binden, hatte zum Beispiel der Re-. naissancemaler Cennino Cennini in seinem „libro dell'arte" beschrieben. Die Praxis war wichtig. Die Theorie wurde erst später erfunden, als die Künstler nicht mehr den Kirchen die Altäre malten, sondern die Welt und sich selber erklärten, als sie nicht mehr Auftragsmaler waren, sondern einen Auftrag hatten und zu Hohepriestern wurden. Unterdessen gilt die Boheme wieder als spießerhaft, der wahre Künstler gibt sich heute wie ein Handwerker, hält aber vom Handwerklichen nichts, falls er nicht gerade Fotorealist ist, oder jedenfalls was ganz anderes. Man-che nehmen gleich die Spritzpistole, andere schwingen den Anstreicherpinsel wie wild. Der ersten Welle der Wilden erwehrten sich die Kunstkritiker noch mit dem feinen französischen Etikett Fauves. Die neuen Wilden heißen heute einfach die Neuen Wilden. Nicht mit dem Vorbehalt der Kunstkritik, sondern bloß neugierig nähern wir uns in diesem Heft der wilden Elvira Bach. Zur Erholung dann Heidelberg.
Johannes Roth
Heft Nr. 115 / vom 14 Mai 1982
Seitenanzahl: 31 Seiten
Eigenschaften von diesem Artikel
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