Frankfurter Allgemeine Heft 64 / Mai 1981 - Alberto Moravia
Titelbild: Das alles ist Moravia: skeptisch und resigniert, ärgerlich und abweisend. Wer aber ist Alberto Moravia?
Original Inhaltsbeschreibung:
- Über Leute
- Alberto Moravia oder Das unmerkliche Glück Heinz-Joachim Fischer, Fotos Gerd van Rijn
- Wo noch die Bambusfaser glüht: Edisons Landsitz in Fort Myers, Florida Carola Kaps Fotos Calle Hesslefors
- Achte Fortsetzung des Notizbuchs Johannes Gross
- Zum Quaken geboren, zum Dinner bestellt: Frösche Udo Pini,Fotos Gjon Mili, Lettera
- Vom Genießen: Die Fleischeslust der Puritaner Andreas Graf Razumovsky, Illustration Hans Hillmann
- Kalender der Woche
- Fragebogen: Felix Schmidt
- Schach Rostyin Finkenzeller
- Matchbox: Worum geht's? Gurkenstein
- Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
- Titel Gerd van Rijn
Besser eine Kröte im Keller als kein Geld auf der Bank
Wer einen Frosch im Hals hat, braucht die Kröte nicht zu schlukken. Insoweit machen es die geläufigen Redensarten noch gnädig. Doch Frösche im Magazin? Da liegt die Krötenspur schon nähher, und niemand achtet der Tatsache, daß diese Familie plumper, kurzbeiniger Lurche oft ganz schön Gift spritzt, wenn man ihr zu nahe kommt. Die im Vergleich mit den Fröschen kürzeren Hinterbeine und das geringere Sprungvermögen machen die Kröten durch jene Drüsen wieder wett, die nicht nur für reichlich Sekret im Aggressionsfall sorgen, sondern auch für das unumgängliche Ingredienz in allerlei Trank und Hexengebräu. Kaum ein Tier, das den Aberglauben herausfordert wie die Kröte, die rote Augen hat, weil sie über all die erlittenen Ehrenkränkungen schon so viel hat weinen müssen. Gerade die faszinierende Kraft dieser Augen entlockte der Phantasie manch grausamherzlosen Zauberbann. So werde zum Beispiel im Spiel gewinnen, wer abends einer Kröte mit der Nadel durch beide Augen sticht, einen Faden hindurchzieht und diesen Faden über Nacht um die Fingergelenke der linken Hand bindet. Dabei dürften Kröten eigentlich nicht gequält, ja nicht einmal beleidigt werden, weil in ihnen die armen Seelen hocken. Vorzugsweise das Alpengebiet vermutet in jeder Kröte eine arme Seele, die auf der Erde zu kriechen und ihre Sündenschuld abzubüßen verdammt ist. Die Kröte wird deshalb in Süddeutschland, besonders aber in der Schweiz, als Hausgeist im Keller gehalten. Gute Kost und Pfle-ge — täglich aus einem silbernen Löffelchen einige Tropfen Milch oder noch besser Milchschaum —dankt die Hauskröte mit ihrem heilsamen Einfluß auf das monetäre Geschehen. Ungläubigen darf man aber nichts davon erzählen.
Hans-Dieter Seidel
Heft Nr. 64 / vom 22 Mai 1981
Seitenanzahl: 39 Seite
Eigenschaften von diesem Artikel
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