Frankfurter Allgemeine Heft 51 / Februar 1981 - Unterwelt
Titelbild: Lichtblick in der New Yorker Subway: Selten können sich die Fahrgäste so gelöst und gelassen geben wie diese Mädchen auf dem Weg in die City. Die Angst wächst bei den Passagieren in Waggons und auf Perrons: New Yorks Unter-Welt wird zur Unterwelt
Original Inhaltsbeschreibung:
- Pber Leute
- Der schönste Chef der Welt: Nathalie Hocq Thankmar von Münchhausen / Fotos Tassilo Trost
- Fragebogen: Reinhard Mey
- Abstieg in eine Alptraumwelt: Sabina Lietzmann
- New York und seine Subway Fotos Willy Spiller
- Kalender der Woche
- Schach Roswin Finkenzeller
- Matchbox: Worum geht's?
- Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
- Titel
Von Kugelschreibern und den Füllern der Macht
Daß wir in der veralteten Welt nur noch Bittsteller in den Durch schreib-Stuben sind, hat uns zu den vielen Kulis verholfen, mit denen wir unsere Anträge durchdrücken müssen. Selbst ein Strich durch unsere Rechnungen erfolgt damit glatt in Fünfacher Ausfertigung sich die Haare sträuben Feder kann es schon, lange nicht mehr. Auch die spitzesten Spitzenprodukte, die sich manche als Füllfeder halten, sind nicht förmularfähig und wirken so arrogant wie die Amtsperson, die sie ablehnen darf. Dabei war jener Stand einst federführend: Der sorgfältig angeschnittene und umso nachdrücklicher gespreizte Gänsekiel hatte doch dem Kanzleistil erst Schwung, Schnörkel und Schikane verliehen. Und war nicht das bloße Eintauchen eines amtlichen Federfuchsers in seine eisenhaltige Gallapfeltinte schon ein Hoheitsakt? Er war es wohl, sonst schauderte ja unsere Kuli und Schreibmaschinengeneration nicht bei der bloßen Vorstellung, ein einziger Federstrich habe etwas Fatales entscheiden können. Alle Macht der Tinte! Wenn wir ein Testament auf- oder einen Erben absetzen, machen wir’s sogar den Notgren mit ihren amtlichen Macht-Füllern nach: Unübertroffen freilich ist doch das Aufschrauben eines Füllfederhalters, das unüberhöhfbare Umsetzen der Kappe und das unübersehbare Ausbalancieren des Schwert punktes in der Goldfederführenden Hand. Nannte man nicht schon die Gänsefeder eine Pose? Seit die heutigen Edel-Pens so gut sind wie der Innendruck der Kabinen, reist der Jet-Set auch wieder mit den Anfaufsicheren Luxus-Modellen zu den Bahamas oder den Termiten, immer bereit, das Ding zu zücken. Eine feine Industrie lebt davon, daß die oberen Zehn- und Mehrtausend den Luxus lieben. Ein traditionelles Haus wird in diesem Heft vorgestellt, das auch nicht umhin kann, den Stammkunden hochkarätige Ink-Pens anzubieten. Denn nur damit stellt man atemberaubend hohe Sckeks aus in Gegenwart von Zeugen, die sich dabei zu rückhaltend vorbeugen, soweit es die Zehenspitzen zulassen. Ob Macht oder Geld — wer zuviel davon hat, trägt wieder Füller. Manche haben so viele davon, daß sie die Schreibwerkzeuge nach einem einzigen Unterschriftzug schon an ihre Untertanen und Kulisklaven verschenken. So kommen Autographen-Sammler zu einem Knüller aus dem Papst Paloast und Weißem Haus. Und sollte SALT III je unterzeichent werden, es wäre der Füller selbst etwas wert. Umgekehrt gilt es leider nicht. Der wertvollste Federhalter adelt vielleicht den Besitzer, nicht aber das Dokument, über das er seine bunte Tinte verspritzt. Für güldene Vorsätze ist er ist er allemal gut.
Udo Pini
Heft Nr. 51 / vom 20 Februar 1981
Seitenanzahl: 31 Seite
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