Frankfurter Allgemeine Heft 55 / März 1981 - kleine Mädchen
Titelbild: Veronika, der Lenz ist da: Endlich dürfen die Herzen wieder höher Fliegen und die Schürzen flattern im lauen Frühlingswind, zur Wonne nicht nur der kleinen Mädchen
Original Inhaltsbeschreibung:
- Über Leute
- Ein Leben für die freche Eleganz: Diana Vreeland Harry Benson, Horst P. Horst, Francesco Scavullo Sabina Lietzmann, Fotos David Bailey, Chris Alexander
- Frühling läßt sein blaues Band: Allegorien einer Jahreszeit Rolf Schneider
- Fragebogen: Graham Greene
- Für kleine Mädchen und höhere Töchter: Udo Pini
- Kleider von Laura Ashley Fotos Charlotte March
- Vom Genießen: Die Kunst des Doctor Mussa Günter Krabbe, Illustration Hans Hilhnann
- Garten: Ein Park wächst Nikolas Benckiser
- Kalender der Woche
- Schach Roswin Finkenzeller
- Matchbox: Worum geht's?
- Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
- Titel
Safran macht den Kuchen gehl - und ein graues Städtchen blau
War Theodor Storm farbenblind? Jedenfalls nannte er, der sonst für seine lokalpatriotische Husumerei verschrieen war, seinen Geburtsort eine „graue Stadt am Meer“, obwohl er wußte, daß sie ein Zwölftel des Jahres ganz schön blau ist. Dann nämlich, jahr, blühen Millionen von Krokus im Schloßpark, entfalt zum „Blütenwunder des Nordens.
Wie aber die Pflanze aus Arabiens Süden sich bis in die Stadt der Krabben, die hier Poorn heißen, aussäen konnte, hat eine frühlingsgefühlvolle Geschichte. Einer jener Barfußmönche nämlich, die sich im kalten Husum 1494 ansiedelten, soll von seinen drei Gelübden das der Keuschheit einst vergessen haben. Damals und noch über Luther hinaus wurde man ja im Lenz leicht locker, vom „Früh-ling“ wie in diesem Heft war damals noch nicht die Rede. Wie immer, der Mönch wurde im Klostergarten wohl mit einer Fischerdeern erwischt und barfuß auf eine Bußreise in die ferne Türkei geschickt, vorbei an riesigen Safranfeldern. So ein Feld ernährte im Mittelalter seinen Bauern oder dessen Herrn gut, denn gelbes Safranöl war eines der begehrten Medizinen, Gewürze und Färbemittel und es war und blieb zu allen Zeiten teuer. Zwar sangen die Kinder, daß Safran den Kuchen gehl mache, aber gesehen haben sie das wohl selten.
Besagter Mönch also kam mit reuigem Herzen und kaufmännischer Nase zurück, den Beutel voller Safransamen. Von „Krokus“ (dem griechischen Safranwort) sprach man erst Jahrhunderte später, aber was dann im Husumer Klosterküchengarten ausgesät wurde, war dasselbe: die stengellose „Schneeblume“, der Frühlingsbote, der fortan mit seinen gedörrten Blütennarben Farbe für-Meßgewänder liefern sollte. "Beispielsweise. „Mit süßen wein getruncken / verhütet er die
trunckenheyt.“
Die Husumer haben dann die Mönche vertrieben, aus dem Kloster- einen Schloßgarten gemacht und die Krokus (der Plural „Krokusse“ wäre falsches Deutsch) sich und dem Nordseewind überlassen. So säte der Frühlingssafran sich im gesunden Wildwuchs aus und bedeckt heute zu drei Millionen, Kelch an Kelch, fünfzigtausend Quadratmeter. Stolz erfüllt die Husumer dann ob ihrer Stadt und der Touristen. Damals war es umgekehrt: Trotz Absolution soll sich der buhlerische Mönch alljährlich peinlich an seine Untat erinnert gefühlt haben, wenn die Blütentrichter aufbrachen. Oder war ihm das „Frühlingsduftgestiebe dieses Erdenhimmelreichs“ etwa mehr als nur ein Dichterwort, etwas, das uns allen ans Herz geht, wenn wir den ersten Krokus sehen?
Udo Pini
Heft Nr. 55 / vom 20 März 1981
Seitenanzahl: 46 Seiten
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