Frankfurter Allgemeine Heft 146 / Dez. 1982 - Saul Steinbergs
Titelbild: O du fröhliche, o du selige. Fröhlich geht es zu. wenn sich, zum schönsten Beispiel in Amerika, Geschäfts- und andere kontaktfrohe Freunde mit herzigen Kartengrüßen in Erinnerung bringen. Und eine verdickte Seligkeit ist auch Saul Steinbergs ..New Yorker Polizisten" nicht abzusprechen, für die Manhattans Wolkenkratzer sich in himmelwärts strebende Beton-Tannenbäume verwandelt haben. während das Chrysler Building als Raketenstern am Nachthimmel aufgeht. Gnadenbringende Weihnachtszeit
Original Inhaltsbeschreibung:
- Über Leute
- Wehmut, mit Füßen getreten: Rolf Heggen
- Als der Ball noch kantig war: Fotos Hermann Dornhege
- Christmas is a decoration: Siegfried Diehl
- Der amerikanische Baum: Fotos Joel Meyerowitz
- Kalender der Woche
- Neunundvierzigste Fortsetzung des Notizbuchs: Johannes Gross
- Fragebogen: Sandra Paretti
- Schach: Roswin Finkenzeller
- Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
- Titel
Von der Kunst, sich mit dem Kitsch zu versöhnen
Von Gottfried Benn ist die Erkenntnis überliefert, der Gegensatz von Kunst sei nicht Natur, sondern gut gemeint. Karlheinz Deschner, dessen Streitschrift „Kitsch, Konvention und Kunst" Ende der fünfziger Jahre mächtig Wirbel machte bei den Schöngeistern, wandelte Benn noch einmal ab: Der Gegensatz von Kunst sei nicht Natur, sondern Kitsch, der ja meist gut gemeint ist. Da haben wir das ganze Dilemma. Wenn der redlichsten Absicht das Unvermögen in die Quere kommt, verbunden mit übertriebener Gefühlsbezogenheit, dann schlägt dem Kitsch die Stunde. Oder wis-senschaftlich ausgedrückt: „Es hat sich gezeigt, daß die Definition von Kitsch nicht einfach von der formalinhaltlichen Beschaffenheit der Objekte bestimmt werden kann, sondern von der Einstellung und Beziehung des Benutzers zum Objekt." Kitsch sei deshalb Kunst für die Masse, polemisierte Deschner. Man kann es auch freundlicher sagen: Selbst wenn er künstlerische Schwächen- und eine Entgleisung ästhetischen Empfindens offenbart — Kitsch macht den meisten schön warm ums Herz. Denn die Pseudokunst kann ebenso unverfälschtes Erleben auslösen, wie es ihr zugrunde liegen kann. Keiner dünke sich also vorschnell erhaben, wenn er mit diesem Heft einen Blick tut auf die amerikanische Weihnacht. Amerika, du willst es farbiger, und kein Fest ohne den heimlichen Wettstreit, wer die meisten, schönsten, größten Postkartenwünsche erhalten hat, um sie an den Baum zu hängen. Kitschig, weil das alles so bemüht dekorativ wirkt? Über Gefühle läßt sich so wenig streiten wie über Geschmack. Irving Berlin, der „O Tannenbaum" auf englisch komponiert hat, liefert die Hymne zur Versöhnung der unterschiedlichen Anschauungen: I'm dreaming of a white Christmas — und von vielen bunten Christmas Cards.
Hans Dieter Seidel
Heft Nr. 146 / 50 Woche vom 17 Dezember 1982
Seitenanzahl: 31 Seiten
Eigenschaften von diesem Artikel
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