Frankfurter Allgemeine Magazin Heft 139 / Oktober 1982 - Emilia
Titelbild: Im sanften Licht der italienischen Landschaft Emilia kann auch ein schlichtes Bauernhaus geheimnisvoll betören
Original Inhaltsbeschreibung:
- Über Leute
- Rockmusik für Erzengel: Wolfgang Sandner
- Andreas Vollenweider, der Harfner: Fotos Calle Hesslefors
- Ein Land ohne Ende: Italien: Volker Hage, Fotos Eberhard Wolf
- Kalender der Woche
- Fragebogen: Horst-Eberhard Richter
- Zeigt her eure Füße oder: Johannes Roth
- Schuhe machen Leute: Illustrationen Peter Krämer
- Vom Genießen: Hans Jürgensen
- Segeln oder lieber vor Anker liegen? Illustration Hans Hillmann
- Schach: Roswin Finkenzeller
- Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
- Titel
Knoten im Lebensfaden?
Gewiß, Pantoffeln sind bequemer, Sandalen luftiger, und die sogenannten Slipper sind praktischer. Doch zum gepflegten Herrn, der auf sich hält, gehört der Schnürschuh. So kommt es, daß gewandtes Auftreten oft nur an einem Faden hängt. Oder genauer: an mehreren zu eine Art Schnur gewirkten Fäden. Wenn der Schnürsenkel reißt, stockt nicht allein der Schritt, auch die modische Sicherheit gerät ins Straucheln. Denn mit den Knoten, die vonnöten sind, damit ein Fortkommen garantiert ist, hat die Eleganz ihre liebe Not. Und auch Knauser, die Modeprinzipien gern mit Füßen treten, die in ausgelatschten Schuhen stecken, müssen eines Tages begreifen, daß der Verwendungszweck ihrer Schuhbandl immer begrenzter wird, je knotiger sie sich gebärden. Ist es unter solchen Umständen übertrieben, den Schnürsenkel einen Lebensfaden zu nennen? Je mehr Knoten hineingeraten, desto kürzer wird er. Und je fester man daran zieht, desto größer die Gefahr, daß irgendwo der Schuh drückt. Die Herkunft des Wortes Senkel in Verbindung mit dem Schnüren ist übrigens unklar. Vorstellbar wäre, daß die Angelegenheit mit dem Versenken des Senkbleis zu tun hat, das an einer senkelähnlichen Schnur hängt, aber vielleicht ist das auch eine zu laienhafte Vorstellung. Unbestritten dagegen bleibt, daß Schuhwerk zu den ältesten Bekleidungsstücken des Menschen gehört —und damit verbunden das Problem, die Materialien wie Leder oder Bast, Stoff oder später Gummi und Kunststoff fest an den Fuß zu binden. In der Antike war das Tragen von Schuhen noch ein Vorrecht des freien Mannes, die Sklaven hatten barfüßig zu gehen. Doch für die Entwicklung des Schuhs in der abendländischen Kulturgesellschaft war nicht die Sandale der Antike, sondern der orientalische Schnabelschuh ausschlaggebend, absatzlos und mit aufgebogener Spitze. So kamen Spangen und Schnallen, Riemen und Bänder zum Zug, als Zierrat, aber auch als Befestigungspunkt im modischen Spiel. Und als aus dem Schuh eine Sache mit Haken und Ösen wurde, mußte der Schnürsenkel her. Warum wir diesmal auf der dritten Seite gleich anzubandeln suchen mit unseren Lesern? Weil dieses Heft unter anderem ausloten möchte, wie es um das Gut bestellt ist, das der Mensch tagtäglich mit Füßen tritt.
Hans-Dieter Seidel
Heft Nr. 139 in der 43. Woche vom 29 Oktober 1982
Seitenanzahl: 59 Seiten
Sprache: Deutsch
Eigenschaften von diesem Artikel
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