Frankfurter Allgemeine Magazin Heft 141 / Nov. 1982 - Raucherin
Titelbild: Auch das war ein Zug der Pop Art: Banalität des Alltags im riesiegen Bildformat zu irritierender Bedeutungsfülle zu bringen. Die Raucherin, die Tom Wesselmann vor sieben Jahren malte, mißt mehr als zwei mal drei Meter
Original Inhaltsbeschreibung:
- Über Leute
- Tradition mit Goldrand: Jürgen Busche
- Ein Klassenbuch für Arno Schmidt
- Wo Romanow regiert: Leningrad: Leo Wieland, Fotos Wilfried Bauer
- Waren-Welt: Bauhaus-Möbel: Horst-Dieter Ebert
- Kalender der Woche
- Für die Breitwand der Betrachterträume: Wilfried Wiegand
- Der Maler Tom Wesselmann: Fotos Jack Mitchell
- Fragebogen: Josef Neckermann
- Schach: Roswin Finkenzeller
- Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
- Titel
Berührung mit dem Klassenfeind oder Ein Leninorden wird vermißt
Eigentlich sollte hier ein Leninorden liegen. Doch im letzten Augenblick kamen dem Besitzer offenbar Bedenken. Bedauernd kehrte er die Handflächen nach außen und beteuerte, er könne das Kleinod nicht mehr finden. Es müsse ihm wohl entwendet worden sein. Dabei schaute er so treuherzig aus blauen Augen, als hoffe er auf Verständnis. Nicht so sehr für das Unwahrscheinliche der Ausrede — wer könnte denn an einem Leninorden solches Interesse haben, daß er darüber zum Dieb würde? — als dafür, daß er über Nacht anderen Sinnes wurde. Zwar, so könnte der Ordensmann überlegt haben, zwar ist das Magazin harmlos, es hat keine politische Mission, keinen volksaufklärerischen Ehrgeiz, es steht noch nicht einmal in der Chronistenpflicht, es gibt nur Rätsel auf und führt mal nach Parma, mal nach Bamberg, mal nach Leningrad. Aber es ist Teil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Und was von der zu halten ist, weiß unser Leninordenbesitzer. Wer den Klassenfeind unterstützt, verrät die gute Sache. Freilich hätte eine dialektische Überlegung auch zum anderen Ergebnis führen können: Wer dem Magazin einen Leninorden zur Verfügung stelle, benutze den Klassenfeind zu kostenloser Publicity. So weitsichtig war der Ordensverweigerer nicht. Darum muß Lenin nun seinen Kopf auf einem armseligen Parteiabzeichen hinhalten, das niemanden recht glücklich machen kann, uns republikanische Leningradtouristen nicht und die moskautreuen Leninfreunde gewiß noch weniger. Wladimir Iljitsch Lenin jedenfalls, dem die junge Stadt an der Newa ihren dritten Namen verdankt, hätte hier ein stärkeres Erinnerungsstück verdient als so ein winziges Fähnlein, das sich im Ernst auch keiner ans Revers heften kann, obgleich auf der Rückseite. eine Nadel dergleichen möglich machte. Deswegen läßt sich die kleine Devotionalie auch nicht gegen die Orden und Ehrenzeichen ausspielen, mit denen hierzulande so mancher ohne Skrupel die demokratische Brust übers nichtdekorierte Volk erhebt. Der Spott über den schönen Konsul Weyer und die unschöne Eitelkeit seiner Kunden kommt nicht zum Zuge. Er wäre auch zu billig und brächte nichts Neues. Also wenden wir uns Arno Schmidt und Tom Wesselmann zu.
Johannes Roth
Heft Nr. 141 / 45 Woche vom 12 November 1982
Seitenanzahl: 55 Seiten
Eigenschaften von diesem Artikel
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