Frankfurter Allgemeine Magazin Heft 110 / April 1982 - Hase
Titelbild: Sein Name ist Hase, er weiß von nichts als Verfolgung und falschem Verdacht zu Ostern. Keiner hält ihm das Panier. Armes Häschen...
Original Inhaltsbeschreibung:
- Über Leute
- Häseken an Ice: Hans-Dieter Seidel
- Erinnerung an Sonja Henie: Zeichnungen Hartmut Gudenau
- Einunddreißigste Fortsetzung des Notizbuchs: Johannes Gross
- Thema und Variation: Christa von Helmolt
- Leonardos »Abendmahl
- Warum Osterhasen Ostern hassen: Udo Pini
- Die ganze Wahrheit über Lampe: Fotos Pete Dine
- Waren-Welt: Fahrräder: Horst-Dieter Ebert
- Kalender der Woche
- Fragebogen: Hanne Darboven
- Schach: Roswin Finkenzeller
- Matchbox: Kreuzwort, Ortstermin, Streichholzspiel
- Titel
Fröhliche Ostern, wenn es kein Hase ist
Beweisen läßt sich nichts damit, aber man muß das einfach einmal deutlich sehen, daß die berühmtesten bildenden Künstler — van Gogh bis Goya (jeweils 30. März), von Leonardo da Vinci bis Wilhelm Busch von Wiedensahl (jeweils 15. April) — um Ostern geboren wurden. Und wenn sie nicht um Ostern geboren wurden, dann starben sie um Ostern, wie Albrecht Dürer zum Beispiel am 6. April. Nicht ahnungslos hat uns der protestantische Meister aus Nürnberg neben seinen katholisch betenden Händen auf dem Nachttisch auch einen Hasen hinterlassen — und wenn nun die nervensägende Tochter, der schon das flie-gende Christkind zu Weihnachten nicht ganz geheuer war, beharrlich fragt, von wem denn die zwei bunten Eier stammen, dann kunstdrucken wir uns geschickt um eine Antwort und fragen frech zurück, warum wohl ein so bedeutender Maler wie der altfränkische AD einen gewöhnlichen Hasen fotorealisiert hätte, wenn dahinter kein Geheimnis steckte. Aber lassen wir den Eiertanz. Es geht in diesem Heft gar nicht um Dürer, sondern um Leonardo, dessen vorösterliches „Abend-mahl" — vom ernsten Beichtzettel bis zu Mel Brooks spaßigem Weltgeschichtsfilm —ja auch recht weit verbreitet ist. Ben Willikens, ein typischer Nachösterlicher, hat das nun endlich restaurierte Mailänder Wandbild in dreijähriger Arbeit „aktualisiert", ein Unterfangen, das manche Scharte hasenherziger Zeitkunst geradezu altmeisterlich auswetzt. Und weil wir also selbst vor den ältesten Hasen nur einen produktiven Respekt haben, schlugen wir auch keine Haken vor dem „Häseken", der schon sagenumrankten norwegischen Eiskunstläuferin Sonja Henie, die vor siebzig Jahren um Ostern geboren wurde. Schließlich betrachten wir den Hasen an sich, wie er unabhängig von einem erkennenden Subjekt für sich selbst besteht in seinem wahren mümmelnden Sein. Mit unseren kreativen Ostern freilich hat er am wenigsten zu tun — wie schon der neufränkische Kinder-liederdichter Friedrich Güll (geboren um Ostern 1812) bemerkenswert gnadenlos reimte: „Die Lebenslust hat nicht den Grund im bloßen Sein,/im steten Werden liegt des Lebens Reiz allein."
Siegfried Diehl
Heft Nr. 110 vom 8 April 1982
Seitenanzahl: 46 Seiten
Eigenschaften von diesem Artikel
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