Brandt-Stoph-Gipfel in Ost-Berlin: Mit einem aufwendigen Reiseprogramm wollen die Führungskräfte der sozialliberalen Koalition in der Endphase des Wahlkampfs die CDU/CSU verunsichern und der Opposition das peinliche Thema Ostpolitik aufzwingen. Nach Außenminister Walter Scheels China-Reise plant Kanzler Brandt für den November einen spektakulären Besuch bei Willi Stoph in Ost-Berlin, um den Grundvertrag zwischen BRD und DDR zu unterzeichnen. Auch ein Abstecher nach Prag ist vorgesehen.
Fernsehwerbung der Parteien: Mit Trompetentönen und elektronischen Tricks, mit Baader-Meinhof Schreckensbildern und aufmuntern den Reden appellieren die Parteien vom Bildschirm herab an den Wähler. Die Werbespots, für die TV Profis Hilfestellung gaben (Michael Pfleghar der SPD, Peter von Zahn der CDU), sind nach strengem Proporz über die Vorwahlzeit verteilt und dürfen bei technischen Pannen wiederholt werden; das Schlußwort hat Rainer Barze!. Auch für DKP und NPD ist noch Sendezeit frei.
BM-Zeuge über den Untergrund: Als es ihn langweilte, "ob der Arsch von den Marxisten/Leninisten oder der Arsch von der DKP recht hat", gab Hans-Peter ("Conry") Konieczny die Gruppenarbeit auf statt dessen fälschte er Papiere und Stempel für Baader-Meinhof. In einem Bericht für den SPIEGEL schildert "Conny" seine Arbeit für die Gruppe und - am Ende - für die Polizei: Er verpfiff zwei BM-Genossen (Seite 36). Ein anderes, prominentes BM Mitglied muß sich jetzt vor Gericht verantworten: Horst Mahler.
Schweden - Beispiel oder Abschreckung?: "Schaut nicht nach Norden", warnt die CDU auch in diesem Wahlkampf. Die SPD, vor die Wahl gestellt, aus Deutschland "ein kleines Amerika oder ein großes Schweden" zu machen, entschiede sich - so Erhard Eppler - für den nordischen Wohlfahrtsstaat, der die wichtig Osten sozialen Probleme gelöst hat und, so der Futurologe Herman Kahn, im Jahr 2000 als einziges Land in Europa die postindustrielle Gesellschaft erreicht haben wird.
Tanakas Umweltpläne: Japans neuer Premier Kakuei Tanaka will die Bewohner des japanischen Archipels aufs Land verschicken - auf Dauer. Mehr als die Hälfte des 105-Millionen-Volkes drängt sich auf nur 1,5 Prozent der gesamten Landesfläche in wenigen Ballungszentren und leidet unter Wohnungsnot und Umweltverseuchung. Mit Sondersteuern will er die Industrie zwingen, in die dünnbesiedelte Provinz auszuweichen.
Zank um Documenta-Defizit: "War das nun nötig?" fragte Documenta-Kassenwart Walter Olbrich, als eine Filmvorführung 10000 Mark kostete, und wollte den verantwortlichen Kunstwart Harald Szeemann entlassen. Das übliche, prinzipiell kaum vermeidbare Documenta Defizit ist 1972 so hoch wie nie (800 000 Mark) und erstmals öffentlich umstritten. Olbrich glaubt sich "wissentlich übergangen", Szeemann klagt Olbrich an: "Der kam doch nie zu uns."
ZDF-Sündenbock siegt vor Gericht: Heinz Oepen, der als Sündenbock für die verunglückte Familienserie "Hei-Wi-Tip-Top" degradierte Ex Unterhaltungschef des ZDF, streitet vor Gericht um Posten und Gehalt. Programmdirektor Joseph Viehöver hat seinem einstigen Vertrauten Fehlplanung und Verschwendung vorgeworfen; Oepen hält "privaten Ärger" für den wahren Grund der Entzweiung. Die Arbeitsrichter sprachen ihm seine Chef-Bezüge zu.
Helmut Schmidt umwirbt die Bundesbank: Anders als Vorgänger Schiller, der den Bundesbankpräsidenten Karl Klasen durch Nichtachtung vergrämte, weiß Wirtschaftsminister Schmidt dem Geldwerthüter vom Main zu schmeicheln: "In Frankfurt sitzen doch die Fachleute." Schmidts Hintergedanken: Die Bundesbank soll wahlkampf-neutralisiert und künftig stärker für Preissteigerungen in Haft genommen werden. Die Banner Schalmeien-Töne trafen auf offene Ohren: "Der Klasen", so ein Beobachter, "hat wieder richtig Rückgrat gekriegt."
Charterfirma Atlantis in Geldnot: Die Frankfurter Atlantis, nach der Lufthansa-Tochter Condor zweitgrößte deutsche Charterfliegerei, treibt erneut in die Gefahrenzone. Das finanzschwache Unternehmen konnte eine lebenswichtige Kapitalerhöhung mangels ausreichender Zahlungswilligkeit der Aktionäre nicht voll durchziehen. Zudem verlor die Firma für die nächste Sommer Saison 40 Prozent ihrer Aufträge. Nun soll ein geheimnisvoller Retter, der Dienstag entschleiert wird, das nötige Kapital bringen.
Ein Bruder für den Käfer: Star der nächstjährigen Frankfurter Autoschau soll ein Parallel Typ zum Käfer werden, mit dem VW-Chef Leiding den kriselnden Konzern wieder ins Verdienen bringen will. Der SPIEGEL veröffentlicht das erste Photo der Wolfsburger Neukonstruktion, die in Form und Technik den jüngsten Fiat-Produktionen ähnelt. In den lukrativen Kleinwagenmarkt wird der Neue aus Wolfsburg freilich kaum einbrechen können.