Der Spiegel Nr.21 / 16 Mai 1966 - Intern Dr.X
Titelbild: Neue Spiegel-Serie - Intern Dr.X - Protokoll eines Arztes
Original Inhaltsbeschreibung:
Spiegel-Verlag/Hausmitteilung vom Datum: 16. Mai 1966 - Betr.: Doktors Dilemma
Patient zu sein, wenn ein angehender Zahnarzt zum erstenmal bohrt-diese Vorstellung dürfte nahezu jeden Krankenversicherten schon beschäftigt haben. Patient zu sein, wenn ein Medizinalassistent zum erstenmal einem festgeschnallten Kranken die Hohlnadel zur Lumbalpunktion in den Wirbelkanal drückt - wer schon macht sich Gedanken darüber? Zahnärzte sind bei nur 27 v. H., Ärzte hingegen bei 77 v. H. deutscher Bundesbürger besonders geachtet und damit der geachtetste Beruf überhaupt. Der Schluss, dass die gläubige Anerkennung des Arztes auf glaubensbedingten Irrtümern über die Ausübung der Humanmedizin beruht, mag deswegen noch nicht berechtigt sein, doch ist die Sucht
nach Doktor-Romanen ein verdächtiges Indiz. Einer Millionen-Auflage nähert sich gerade in Amerika ein Doktor-Bestseller, freilich anderer Art, mit dem Titel "Intern" - was hier soviel sagen will wie "Pflichtassistent ". Es handelt sich um die Nachschrift von Tonbandprotokollen eines jungen Mediziners über sein Arztwerden, das Arztsein seiner Hospital-Oberen und den humanitären Erwerbsliebesdienst "fetter blonder Vetteln" als Krankenschwestern. Mit Operationsmaske und blauer Brille vermummt, erschien der anonyme Fernseh·Konversation: Merv Griffin, Dr. X Verfasser "Dr. X" in der populären Konversations-Show des Fernseh-Unterhal ters Merv Griffin, um seine Enthüllungen wie auch seine Anonymität zu vertreten. Dass es sich nicht um eine sensationsbedachte. Zweideutigkeit oder Fälschung handelt, erwies sich spätestens, als in den "New York Times" der Rezensent Orville Prescott unter seinem ruhmreichen Kritikernamen den Autor als "erstaunlich guten Schriftsteller" und das Buch als Darstellung bezeichnete, "wie Persönlichkeit und Charakter eines jeglichen Arztes in seiner Arbeit zur Schau stehen und auf den Patienten wirken". Der Life"-Kolumnist Loudon Wainwright traf Dr. X ohne Maske als "recht angenehmen und unmysteriösen Mittdreissiger", den er in einem Atem mit Paul de Kruif nennt, jenem Nichtmediziner, durch dessen Erfolgsbücher sich vor 30 Jahren dem kritischen Laienblick die Zunftstrukturen der amerikanischen Medizin erschlossen. Ärzte sollten unter den ersten Lesern von Dr. X sein, schrieb Medicinae Doctor Gagliardi.im Standesblatt der amerikanischen Ärzte, damit sie auf die Fragen vorbereitet seien, mit denen die Leser nun als Patienten herauskommen würden. In Deutschland, wo sich die Ärztezunft gern noch wahrhaft freimaurerisch gebärdet, wird ohne Zweifel das Echo weniger nüchtern ausfallen - schon ahnt man geradezu das Wort "Laienpresse" -, wenn in dieser Ausgabe ein Abdruck aus "Intern" als SPIEGEL-Serie begonnen hat. Nach den Pastoren zu Carmichael und Harenberg haben nun die Ärzte zu Dr: X das Wort. Aber Radschlagen mit dem Pfauenschwanz der Wissenschaft wird diesmal überhaupt keinen Eindruck machen. Carmichael und Harenberg sind keine Theologen. Dr. X ist Arzt.
16 Mai 1966
Seitenanzahl: 170 Seiten
Sprache: Deutsch
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